Geschichten eines Papas


SINGLE
Luna: 2 ¾ J. Malin: 3 M.

Aus Versehen konservativ

Als Eltern hat man heutzutage viele Möglichkeiten, wenn es darum geht sich in den eigenen Erziehungsansatz reinreden zu lassen. Als Anne und ich uns vor der Geburt von Luna Gedanken darüber machten, was für Eltern wir eigentlich sein wollten, merkten wir zum ersten Mal, dass die „Wahl der Erziehungsmethode“ essenzieller und schwieriger ist, als wir damals dachten.

Während mir wichtig war, dass Luna mich als Vater lieben, mir vertrauen und mich immer als Fels in der Brandung ansehen sollte, ging es Anne darum, dass es ihr nie an Zuneigung und Aufmerksamkeit mangeln sollte. Diese Anforderungen schlossen sich zwar gegenseitig nicht aus, jedoch erkannten wir, dass Situationen auf uns zukamen in denen wir uns unbedingt absprechen würden müssen, bevor wir unserem Kind einen Wunsch erfüllen oder eben nicht.

Bedürfnis orientiert und Harmonie fixiert

Als Luna dann auf der Welt war genossen wir zunächst die Zeit mit dem neuen Menschlein. Wir waren nun eine Familie und stürzten uns mit Eifer und Freude in die neuen Aufgaben des Elterndaseins.

Während Luna lernte, wie dieses „Mensch sein“ funktionierte, erklärte Anne mir den Ansatz der Bedürfnis orientierten Erziehung. Hierbei handelt es sich schon fast um ein „in den Tag hineinleben“-Konzept, bei dem die Bedürfnisse des Kindes im Vordergrund stehen. Ist das Kind zum Beispiel müde, obwohl die Mittagsschlaf-Zeit vorbei ist, dann gewährt man ihm trotzdem die Pause, obwohl das den eigenen Rhythmus vielleicht völlig aus der Bahn werfen könnte.

Das genaue Gegenteil davon ist die in Amerika sehr beliebte Ferber-Methode. Hier wurde ein Einschlafritual für gesunde Kinder ab sechs Monaten entwickelt, welches Eltern nur nach einem genauen Zeitplan erlaubt, ihr weinendes Kind zu beruhigen. Ansonsten soll man das Kind alleine in seinem Bettchen weinen lassen, bis es realisiert, dass niemand kommt und das Weinen einstellt (weil es nicht den gewünschten Effekt hat).

Wir verständigten uns auf eine Bedürfnis orientierte Erziehung. Hingabe, Einigkeit und Verständnis sind die Grundpfeiler unserer Ehe und dienten uns in den kommenden Monaten und Jahren als solides Fundament. Denn die Bedürfnis orientiere Erziehung kann eine wahnsinnig anstrengende Angelegenheit sein.

Um die Harmonie in unserer Familie aufrecht zu erhalten und Anne und mir zumindest gemeinsame Abende zu ermöglichen, passten wir unsere Erziehung im Laufe der Zeit an. Es stellte dich heraus, dass ein Schlaf-Rhythmus für Luna unabdingbar war. Durch ihre Neugier und den unbändigen Eifer Neues lernen zu wollen vergaß sie anscheinend, dass Kinder in ihrem Alter am Tag ca. 12 Stunden schlafen sollten. Die Länge des Mittagsschlafs zog sie dann einfach von der Dauer ihrer nächtlichen Ruhe ab. Das bedeutete nicht, dass sie früher aufwachte, sondern einfach nicht müde wurde und unsere Abende gefüllt waren mit vergeblichen Versuchen, sie ins Bett zu bringen.

Wir strafften also unsere Regeln im Bezug auf den Mittagsschlaf und „zogen“ sie hin und wieder durch müde Phasen am Nachmittag, die uns sonst verwehrt hätten die wertvolle Zeit für uns zu finden.

Mehr als nur ein Job

Aufgrund meiner Selbstständigkeit und der Situation in Annes Arbeitsumfeld (Verkauf und Umstrukturierung ihres Unternehmens), entschieden wir uns dafür, dass ich die Rolle des „Versorgers“ und Anne die Rolle der „Mama in Elternzeit“ einnehmen würden. Als wir realisierten, wie wahnsinnig konservativ diese Entscheidung war, schüttelten wir beiden „Revoluzer“ lachend den Kopf über uns selbst.

Ich erinnere mich noch, wie meine Ex-Freundin meinen Beruf immer als „alles andere als anstrengend“ bezeichnete. Schließlich saß ich den ganzen Tag nur am Rechner und verausgabte mich so nicht körperlich. Dass mentale Arbeit ebenso erschöpfend sein kann, wollte sie nicht einsehen. Schön, dass dieser Disput zwischen Anne und mir nie statt fand. Von Tag 1 an sah sie in mir das Arbeitstier, das ich bin. 18 Stunden Tage waren nie ein Problem für mich. Und meine Firma dorthin zu bringen wo sie heute steht, habe ich nur mit einem immensen Kraftakt und letzen Endes vor allem durch Annes Rückendeckung geschafft. Heute ernähre ich eine vierköpfige Familie mit dem was ich tue und das hauptsächlich von Zuhause aus.

Jedoch leiste ich im Vergleich zu Anne nur einen kleinen Beitrag, wenn es um den Zusammenhalt und den funktionierenden Alltag unserer Familie geht. Ich lernte einen riesigen Respekt vor den Heldentaten des Alltags einer Mutter zu haben. Und ich bin wahnsinnig froh, eine so wunderbare Ehefrau und Familienmutter an meiner Seite haben zu dürfen!

Denn das was Anne (und ich bin mir mittlerweile sicher – auch ein überwältigender Großteil aller Mütter) täglich leistet, ist mehr als nur ein Job, den ich mir nicht zutrauen würde.