Zwischen Hard und Nightmare
Nehmen wir mal an, das Leben wäre ein Computerspiel. Und ich, ich wäre so ein Typ von einer Computerzeitschrift, der sein Geld mit dem Spielen solcher Spiele und dem Schreiben von Rezensionen verdienen. Dazu nehmen wir auch noch an, dass das hier meine Doppelseite im Sonderheft der Geschichte ist.
Viel Vergnügen!
Ein gewöhnungsbedürftiger Start
Bisher spielte ich Rollenspiele immer mit einem Alter Ego, dass ich selbst nach meinen Vorstellungen erschuf. Ob es der breitschultrige Krieger oder der geniale Zauberer wurde, der mit einem Fingerschnippen ganze Gegnerhorden zu Asche verwandeln konnte, entschied ich meist nach meiner gegenwärtiger Stimmung. Nur um mich dann nach einigen Spielstunden um zu entscheiden und das Spiel von vorn zu starten.
Um so überraschter war ich, dass ich bei Life überhaupt nicht erst gefragt wurde, welche Rasse oder Klasse ich spielen wollte. Wie ich später erst erfuhr, gibt es bei Life keinen Editor für den eigenen Charakter. Völlig zufällig werden dem Spieler Aussehen und sogar das Geschlecht vor dem Start des Spiels zugewiesen. Lediglich die Frisur kann im späteren Spielverlauf beeinflusst werden, wenn auch nur begrenzt – will man zum Beispiel aus der Kurzhaarfrisur eine lange Mähne machen, muss man dafür erst einige Spielstunden zurücklegen. Auch Körperschmuck und Tatoos haben einen permanenten Charakter und können nur schwer rückgängig gemacht werden.
Erfahrene Rollenspieler werden zunächst mit der Stirn runzeln, wenn sie erfahren, dass es lediglich eine spielbare Rasse gibt. Dabei hatte ich mich so auf ein breites Spektrum von Konfigurations-Möglichkeiten gefreut, hatte der Publisher Godlabs schließlich vor dem Launch mächtig die Werbetrommel gerührt.
Life ist das Abenteuer ihres Lebens! Sie werden nie zuvor etwas vergleichbares erlebt haben.
Pressesprecher der Godlabs Inc.
Aber Orks, Elfen oder Zwerge sucht der Spieler hier vergeblich. Außer den Menschen ist die Welt von Life nur noch von Tieren bewohnt. Diese sind aber ausschließlich NPCs (non playable characters – oder auch „Nichtspieler Charaktere“) und weisen nur bedingte Interaktivität auf.
Das Startgebiet bestimmt den Schwierigkeitsgrad
Als Kind war ich immer derjenige, der bei der Auswahl des Schwierigkeitsgrades dazu tendierte zwischen „Easy“ und „Normal“ zu wählen. Die Schwierigkeitsstufe „Hard“ oder den berüchtigten „Nightmare“-Modus verband ich immer eher mit Anspannung oder harter Arbeit. Nicht das wonach ich bei einem Computerspiel suchte.
Auch hier geht Life einen ganz eigenen Weg. Durch die zufällige Zuteilung zu einem der zahlreichen Startgebiete bestimmt sich der initiale Schwierigkeitsgrad von selbst und passt sich dann im Spielverlauf automatisch an. Ich zum Beispiel, wurde einem Startgebiet zugeteilt, dad von vielen Spielern besiedelt war und auf einem Kontinent mit gemäßigtem Klima, mittlerer bis hoher Ressourcen-Dichte und hohem Technologie-Standard lag. Hier war der Schwierigkeitsgrad irgendwo zwischen „Easy“ und „Normal“. Ein hervorragendes Startgebiet für mich.
Ein komplexes Tutorial
Wer denkt, er könne die riesige offene Welt von Life sofort nach dem Start des Spiels erobern, der irrt leider gewaltig. Die Entwickler sind auch in diesem Teil des Spiels einen Branchen untypischen Weg gegangen. Das Tutorial des Spiels ist Pflicht. Und es ist wahnsinnig lang.
Meist beginnen die ersten Spielminuten in der Gegenwart von zwei anderen, erfahreneren Spielern. Hin und wieder kann es aber auch vorkommen, dass nur ein Spieler sich die Zeit nimmt, einem die Grundlagen der Steuerung und den Umgang mit dem Chatsystem beizubringen. Die ersten Level verbrachte ich damit mich an den einfachsten Aufgaben zu versuchen. Sogar die Fortbewegung in Life muss erst in einer langen Questreihe erlernt werden und das beenden dieser Questreihe geht meist mit dem Aufstieg auf Level 1 einher.
Apropos Level-Aufstieg. Das Level-System von Life ist genial einfach. Der Spieler steigt, nach dem Absolvieren einer festgelegten Spielzeit, automatisch in das nächste Level auf. Dabei ist es kein Muss sich diese Zeit mit dem Erlernen neuer Skills oder dem Erkunden der Spielwelt zu vertreiben. Selbst wenn man ein ganzes Level lang nichts spannendes erlebt oder dazu lernt steigt man automatisch nach einer gewissen Zeit auf. Ein faires System, dass zu einer gleichmäßigen Verteilung der Spieler in den unterschiedlichen Spielzonen beiträgt.
Mitspieler finden
Wer die ersten Level von Life erfolgreich hinter sich gebracht und die Kommunikation via Chat, sowie die Fortbewegung erlernt hat, der wird schnell erkennen, dass ein großer Teil des Spiels aus dem Finden von geeigneten Mitspielern besteht. Die erfahrenen Spieler, die einen dabei durch das Tutorial begleitet haben sind leider im Level meist zu weit von dem eigenen Charakter entfernt, als dass man gemeinsame Aufträge annehmen und absolvieren könnte.
Life kann zwar komplett im Einzelspieler-Modus durchgespielt werden. Manche Add-Ons können jedoch nur freigeschaltet werden, wenn man in Gruppen von mindestens zwei Spielern unterwegs ist. Ich habe auch schon von Spielern gehört, die das Urlaub-Total Add-On alleine gespielt hätten, jedoch bevorzugen es die meisten dem Ratschlag der Godlabs zu folgen und sich im Verbund auf diesen Spielinhalt zu stürzen.
Eine Vielzahl an Möglichkeiten
Der Beginn von Life gestaltet sich für die meisten Spieler in einem ähnlichen Ablauf. Zunächst absolviert jeder Spieler das Tutorial. Danach kommt eine längere Phase in der man weiteres Wissen über die Spielwelt und die späteren Spielmodi lernt. Circa ab Level 16 steht einem dann bereits eine Vielzahl an Möglichkeiten offen. Einige entscheiden sich zum Beispiel dafür für andere Spieler Aufträge entgegen zu nehmen, indem sie in deren Handwerksbetrieben helfen oder Botengänge erledigen. Andere wiederum versuchen Questreihen freizuschalten, die mit dem Lehre ohne Ende oder Studium auf Zeit Add-On daherkommen. In dem Startgebiet, in dem ich meine Reise durch das Spiel begann, war es sogar Pflicht, sich nach dem Abschluss der ersten Einführungen, zwischen den beiden Questreihen Zivil- und Militärdienst zu entscheiden. Diese Questreihen wurden jedoch zu einem späteren Zeitpunkt, aufgrund mangelndem Interesses der Spieler, per Patch auf optional umgestellt.
Spielsucht
Nachdem ich mich mit den Eigenheiten von Life angefreundet hatte. Wurde der Drang in mir die zahllosen Mehrspieler-Inhalte freischalten zu wollen immer größer. Ich verbrachte die ersten Level häufig mit anderen Spielern und war deshalb ganz gut darin, wenn es darum ging in neuen Gebieten des Spiels Anschluss zu finden. Die Level 20 bis 27 verbrachte ich sogar fast ausschließlich mit anderen Spielern (oft in immer wieder der gleichen Gruppe) und spielte das Party ohne Ende Add-On fast komplett durch.
Ich erwischte mich immer wieder dabei, wie ich eine stetig wachsende Sucht nach Life entwickelte. Ich konnte einfach nicht genug bekommen. Und als ich mich mal wieder dabei erwischte die Nacht durch zu spielen traf ich sie…
Alles neu
Ich hatte bisher nur Gerüchte darüber gehört, dass manche Spieler so gut harmonierten, dass sie sich an die schwierigsten Mehrspieler-Inhalte heranwagen konnten. Doch so recht konnte ich das nicht glauben. Ich hatte bereits einige Spieler gesehen, die sich in das Bund fürs Leben Add-On wagten, doch viele deinstallierten es frustriert nach einigen Leveln wieder (meist nach 7). Auch das Housing und das Nachwuchs 1 Add-On gilt als häufiger Grund dafür, dass Spieler nach wenigen Leveln wieder getrennte Wege gehen.
Doch als ich Anne traf und begann meine Spielzeit hauptsächlich mit ihr zu verbringen, merkte ich immer mehr, dass ich mich auch an diese neuen Spielinhalte wagen wollte. Und zu meinem Glück, hatte Anne ebenfalls Zeit und Lust dazu.
Wir installierten zunächst das Housing Add-On, bei dem jeder von uns seine eigne Basis in eine gemeinsame neue Unterkunft verlegen musste. Das taten wir unter der Prämisse, dass wir jederzeit wieder eigene Basen haben konnten, wenn uns das Teilen einer Unterkunft nicht zusagte. Erstaunlicherweise sank durch diese Entscheidung der Schwierigkeitsgrad des Spiels gravierend und lag nun bei „Easy“. Also entschieden wir uns einige Zeit später Nachwuchs 1 anzugehen. Noch während des Installationsvorgangs besorgten wir uns spontan auch noch Bund fürs Leben. Da war ich Level 30.
Diese Entscheidungen sorgten dafür, dass sich unser Spielverhalten grundlegend änderte. Das Spiel fühlte sich nun komplett neu für uns an.
Spannend von Anfang bis heute
Durch Nachwuchs 1 hatten wir uns dafür bereit erklärt ebenfalls einem neuen Spieler die Grundlagen der Spielmechanik beizubringen. Bund fürs Leben half uns hierbei anderen Spielern zu signalisieren, dass wir diesen Auftrag gemeinsam absolvieren wollten. Was wir erst unterschätzt hatten war, dass sich plötzlich der Schwierigkeitsgrad von „Easy“ auf „Normal“ und in manchen Nächten sogar auf „Hard“ stellte.
In einigen Nächten sank meine Energieleiste auf besorgniserregende Tiefstwerte. Anne erging es da teilweise sogar noch schlechter als mir. Sie wurde mittlerweile häufiger vom Spiel gehindert sich auszuloggen.
Doch wir beide schafften es und brachten der uns zugewiesenen Spielerin Namens Luna alles bei, was sie für die Kommunikation und Fortbewegung benötigte. Und so kam es, dass Anne und ich uns, trotz aller Strapazen der vergangenen 2 Level dazu entschieden Nachwuchs 2 zu installieren.
Nun haben wir die Verantwortung für eine weitere Spielerin namens Malin übernommen, die fleißig dabei ist die Steuerung zu erlernen, während wir weiterhin versuchen Luna soviel Wissen über die Spielwelt zu vermitteln, wie wir nur können.
Auch wenn die neuen Aufträge und Questreihen wahnsinnig spannend sind, wage ich es mittlerweile gar nicht mehr auf meine Energieleiste zu schauen. Zu sehr hat mich Life mittlerweile in seinen Bann gezogen. Glücklicherweise sind Anne und ich bereits ein gut eingespieltes Team und helfen uns gegenseitig beim Absolvieren der diversen Aufträge. Teamwork ist für uns in Life aktuell auch wirklich notwendig, denn als ich eben noch einmal den Schwierigkeitsgrad überprüfte stand die Anzeige irgendwo zwischen „Hard“ und „Nightmare“.