Geschichten eines Papas


SINGLE
Luna: 2 ¾ J. Malin: 5 M.

Fairness

Fast drei Jahre bin ich jetzt schon Papa. Wenn man das Elterndasein bereits ab Beginn der Schwangerschaft zählt, dann wäre es fair zu sagen, dass ich bereits über drei Jahre Vater bin. Auch wenn drei Jahre nichts im Vergleich zum Rest meines Lebens zu sein scheinen, genügt mir diese Zeit um eine erste Feststellung zu machen: Wenn es aktuell etwas gibt, das mir fehlt, dann ist das Fairness…

Die Natur des Menschen

Elternwerden beginnt für mich tatsächlich mit der Schwangerschaft. Wer bereits ein Kind in seinem Leben erwartet hat wird mir denke ich zustimmen, dass das Gefühlschaos dieser besonderen Zeit mit nichts zuvor dagewesenem zu vergleichen ist. Und ich maße mir nicht an auch nur im Ansatz nachempfinden zu können, welches Ausmaß dieses Chaos für eine werdende Mutter haben muss. Es ist schließlich ein riesiger Unterschied, ob man, wie ich, nur „daneben steht“ und zusieht, wie ein neues Leben heranwächst oder ob dieses Wunder im eigenen Körper stattfindet.

Dieses krasse Ungleichgewicht der Gefühls-Intensität zieht sich, wie ein roter Faden durch, bis zum Moment der Geburt. Vierzig Wochen versuchte ich in der Rolle des Mannes bei Annes Schwangerschaften mit Luna und Malin meinen Beitrag zu leisten. Zum Beispiel durch Entlastung, körperlicher und seelischer Natur und durch das Anbieten meiner Hilfe, wo ich nur konnte. Leider begann hier jedoch meine Suche nach Fairness.

Heute muss ich feststellen, dass der Wunsch nach einer fairen Rollenverteilung im Elterndasein, in der jeder seine fünfzig Prozent zum gemeinsamen Ziel beiträgt, reine Utopie ist. Die menschliche Natur hat sich so abgesichert, dass wir als Erzeuger nach dem Akt der Erzeugung ersetzbar und wenn man es genau nimmt sogar überflüssig zu sein scheinen.

Be helpfull or die trying

Auch während der Geburt sind die Mittel eines Vaters wahnsinnig begrenzt. Zwar muss ich zugeben, dass ich eine klare Entwicklung meiner Selbst von Lunas zu Malins Geburt feststellen kann. Ich stelle dennoch nüchtern fest, dass ich keinen einzigen Zentimeter auf dem Weg zum Erblicken des Lichts dieser Welt meiner Töchter beigetragen habe. Auch wenn beruhigende Worte, Nähe und Zuversicht sicher halfen, lag der Löwenanteil aller Anstrengungen auch hier wieder bei Anne.

Ich fühlte nach Lunas Geburt bereits diese leichte Unruhe, langsam ein „Schulden“-Konto bei Anne aufzubauen, wenn es um den Einsatz von Energie im Dasein als Eltern anging. Auch wenn sie diese „Schuld“ nie einfordern würde, spürte ich, dass ich diese vielleicht auch nie zurückzahlen könnte, selbst wenn ich wollte. Natürlich startete ich einige Versuche meinen Beitrag zu leisten. Beziehungsweise diesen Beitrag so wertvoll wie mir nur irgendwie möglich zu gestallten. Aber gerade in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt fühlte ich mich eher hilflos, als hilfreich.

Unfair heißt nicht scheiße

Auf gar keinen Fall soll das heißen, dass ich das Vatersein nicht schön finde. Ganz im Gegenteil empfand ich noch nichts in meinem Leben so erfüllend, wie Lunas und Malins Papa zu sein. Auch meine Ehe zu Anne ist das Beste, was mir in meinem Leben hätte passieren können.

Jedoch hegten Anne und ich bisher stets einen wahnsinnig fairen Umgang miteinander. Sie schuf mir Auszeiten, ermöglichte besondere Erlebnisse und legte stets wert darauf, dass es mir gut ging. Und ich erwiderte diese Gesten mit Liebe, Kreativität und Einsatz meinerseits. Doch aktuell kann ich nicht im Ansatz den Einsatz „zurückzahlen“, den Anne tagtäglich leistet. Zwar bin ich irgendwie der Versorger unserer kleinen Familie geworden, so wirklich fair fühlt sich unsere Rollenverteilung für mich jedoch nicht an.

Mit Geduld und Leidenschaft

Wahrscheinlich ist die Situation in der ich mich befinde, oder der Wunsch danach diese Gedanken einfach einmal festzuhalten für die Meisten, die sich nicht in der gleichen Situation befinden schwer nachzuvollziehen.

Aber es hat seinen Grund, weshalb Luna heute nicht bei mir schlafen wollte, sondern lieber bei Anne. Und dieser Grund ist nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe oder nicht genug Willen und Hingabe in der Erziehung meiner Kinder an den Tag lege. Es ist schlichtweg die Tatsache, dass ich nicht ihre Mutter bin und aktuell auch keine Chance habe mit Anne auf diesem Gebiet mitzuhalten.

Vielleicht existiert ja doch so etwas wie Fairness im Dasein als Eltern. Vielleicht ist der Grad der Bindung des Kindes zur Mutter, mit dem wir Väter (zumindest in den ersten Jahren) nicht mithalten können, ein gerechter Ausgleich für die selbstlos erbrachten Anstrengungen beim Großziehen seitens der Mütter. Auf den ersten Blick vielleicht ein schwacher Trost für den Einsatz von Übermüdung, Kraftlosigkeit und Schmerzen. Wenn ich jedoch könnte, würde ich Anne das alles sofort abnehmen, nur um für ein bisschen Fairness zu sorgen.